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Zuerst glaubte sie, sich verhört zu haben. Dann begriff sie, daß
das Klopfen tatsächlich von der Wohnungstür kam. Claire Bresson
vernahm das Geräusch zum ersten Mal. Es versetzte sie in Erstaunen.
Schließlich gab es eine Klingel an der Tür. Möglicherweise
war sie defekt. Claire erwartete keinen Besucher, aber da das Klopfen sich
wiederholte, ging sie in die Diele und öffnete die Tür. Es war
niemand da. Claire ließ die Tür offen und ging bis zum Liftschacht,
um einen Blick ins Treppenhaus zu werfen. Sie rechnete damit, auf ein paar
verlegen grinsende Kinder zu stoßen, die sich einen Spaß mit
ihr erlaubt hatten, aber das Treppenhaus war leer. Claire kehrte in ihre
Wohnung zurück. Das Zweizimmer-Apartment lag in der vierten Etage eines
im klassizistischen Stil erbauten Hauses. Es hatte fünf Stockwerke und
hatte der Highsociety einmal als Nobelherberge gedient, aber als ein paar
einfachere Häuser das Straßenbild verändert hatten, waren
die reichen Leute schleunigst ausgezogen. Seitdem war das Haus von wechselnden
Besitzern häufig verändert und umgebaut worden. An die Stelle der
riesigen Etagenwohnungen waren kleinere Apartments getreten, aber selbst
heute noch besaßen die stuckverzierten Räume mit den hohen Fenstern
und das mit Marmorplatten getäfelte Treppenhaus etwas vom Flair vergangener
Zeiten. Besonders eindrucksvoll waren die Jugendstilornamente am Gitterwerk
des Fahrstuhlschachtes. Der Lift selbst war schon vor Jahrzehnten stillgelegt
worden. Claire setzte sich ins Wohnzimmer und griff nach der Modezeitschrift,
bei deren Lektüre sie durch das Klopfen gestört worden war. Es
klingelte. Claire legte das Magazin beiseite und ging erneut in die Diele.