Vampir-Horror-Roman Nr. 182: Ich, der Mikro-Mann

Vampir-Horror-Roman Nr. 182: Ich, der Mikro-Mann


Langsam kehrt das Bewusstsein zurück. Ich habe immer noch den peinigenden, metallischen Geruch des heißen Bleis in der Nase. Schwer lastete das Gewicht der Hohlform auf mir, die mich umschließt. Sie drückt auf die Brust, scheuert die Haut über den Beckenknochen. Ich kann nicht durchatmen, keinen Finger bewegen. Selbst auf die Augenlider presst sich die harte, graue Masse, und ich spüre sie auf der nassen Stirn. Wenn ich den Mund öffnen könnte, würde ich das Metall auf der Zungenspitze schmecken. Aber es wird besser werden, ich weiß es. Allmählich weicht der Druck, das Atmen wird leichter. Die Füße, die ich zur Probe etwas bewege, finden keinen Widerstand mehr, steckten nicht länger in den engen bleiernen Stiefeln. Prüfend atme ich durch die Nase ein uns habe die Empfindung von Bohnerwachs und heißem Essen in Metallkübeln, dazu ein wenig Desinfektionsmittel. Wie ein Schleier zerreißt der bedrückende Alptraum, ich weiß wieder, wo ich bin, fühle ich mich erwachen. Ich tauche auf aus dem Schlaf. Als ich die Augen öffne, finde ich mich in meinem Klinikbett, zwischen den weißen Kissen und hinter dem halbhohen Gitter. Die Schwester steckt es jedes Mal in den Bettrahmen, wenn ich eingeschlafen bin. Angeblich, damit ich nicht hinausfalle, wenn ich mich im Traum bewege. Als ob ich mich im Traum bewegen könnte! Sobald ich in den Schlaf sinke, erlebe ich aufs neue, wie sich die bleierne Form über mich senkt, mich völlig umschließt und das Leben aus mir herauspressen will. Es ist stets derselbe schlimme Traum. Ich kann mir noch so oft klarmachen, daß er nur die Antwort meines Unterbewusstseins auf die Einschließung in diesem...Sanatorium ist.


von Thomas B. Davies, erschienen 1976, Titelbild: Carolus Adrianus Maria Thole