Vampir-Horror-Roman Nr. 65: Der Geisterreiter

Vampir-Horror-Roman Nr. 65: Der Geisterreiter


Im Norden wetterleuchtete es. Jetzt, in den Tagen der Sommersonnenwende. lag eine seltsam feuchte Schwüle über dem Land. Der Geruch des Hochmoores wehte zu uns herüber, als wir über die schmale Holzbrücke fuhren, deren Bohlen unter den Reifen des Volkswagens ächzten und knarrten. Ein langer Blitz erhellte den Horizont. Die Wipfel dunkler Tannen und das Blätterfiligran schlanker Birken zeichneten sich wie ein Scherenschnitt gegen den Himmel ab. Es war wie eine Momentaufnahme voll dunkler, ein wenig schauerlicher Schönheit. "Hoffentlich regnet es nicht", sagte Jürgen Sander neben mir. Er fuhr schnell und sorglos, denn die Gegend war ihm inzwischen so vertraut, daß er jedes Schlagloch der neun Kilometer langen Strecke kannte. Sein linker Ellenbogen ruhte auf dem Blech der Wagentür, die linke Hand hielt das Steuer. Den rechten Arm fühlte ich auf meiner Schulter. "Seid ihr noch nicht fertig mit den Ausgrabungen?" Jürgen lachte leise. Er war sehr gut gelaunt und hatte allen Grund dazu. Das Archäologenteam, mit dem er arbeitete, hatte einen beachtlichen Fund gemacht. Während seine fünf Kollegen bei den Wohnwagen und Zeiten ein Freudenfest veranstalteten, war er zu mir nach Stalberg gekommen - in das Haus meiner Eltern. Seine Art, den Erfolg au feiern, war mir sehr sympathisch. "Nein, es bleibt noch viel zu tun, aber unser heutiger Fund ist außerordentlich kostbar. Selbst wenn die Grabung durch einen Platzregen überflutet und zerstört würde, könnte der Wert unserer Arbeit nicht gemindert werden, Ille!" meinte er.


von Hivar Kelasker, erschienen 1974, Titelbild: Carolus Adrianus Maria Thole