So betrunken war Rico noch nie. Dabei geschah es nicht selten, daß
er seinen Kummer über seine Armut in Kaktusschnaps ersäufte, aber
meistens war er dann wenigstens noch in der Lage, die wenigen Meter von der
Bodega bis zu seiner Adobehütte zielstrebig zurückzulegen wie ein
alter Gaul, der den Stall wittert. Ausgerechnet heute hatte er totale
Mattscheibe, und so sah er den Erdspalt nicht, der sich urplötzlich
vor seinen Füßen auftat. Er spürte nur, daß sein rechtes
Bein keinen Halt mehr fand, er das Gleichgewicht verlor und in einen Erdriß
geriet. Rico stieß einen Fluch aus und versuchte, herauszukriechen
und wieder festen Boden unter die Füße zu bekommen. Es gelang
ihm, den rechten Fuß nach oben zu schwingen, doch als er den linken
nachstemmen wollte, hielt ihn etwas fest. Zunächst war es nur wie ein
Zupfen an seiner Leinenhose, doch dann gruben sich spitze Zähne in seine
Wade, und er wurde schlagartig nüchtern. Ein rasender Schmerz durchzuckte
ihn. Er stieß einen erstickten Schrei aus. Angst und Entsetzen verliehen
ihm ungeahnte Kräfte. Vor sich sah Rico die ebene Fläche des Gehwegs,
der aus festgetrampeltem Lehmboden bestand. Keine zwanzig Meter weiter stand
die Bruchbude, in der er mit seiner Familie hauste. Der Schmerz trieb ihm
Tränen in die Augen. Halbblind blinzelte er zu der Lehmhütte
hinüber. Sie schien zu wackeln und drohte einzustürzen, aber es
war wohl nur der Schmerz, der ihm dieses Trugbild vorgaukelte. Plötzlich
hatte Rico das Gefühl, als rasten die Zähne einer Kreissäge
durch Fleisch und Knochen seines Beines, und dann war er frei. Mit letzter
Kraft zog er sich hinauf auf den Gehweg, den blutenden Beinstumpf hinter
sich herschleppend. Keuchend blieb er am Rand der Erdspalte liegen. Er fand
keine Erklärung dafür, wie sie entstanden war. Sein Blick irrte
nach unten. Er sah Rohre und Kabel der unter der Erdoberfiäche verlegten
Versorgungsleitungen. Was er dann erblickte, war kein Produkt seines benebelten
und von Schmerz gepeinigten Gehirns. Es war grausige Wirklichkeit. Rico starrte
wie hypnotisiert in grünlich schillernde Augen, auf das
haifischähnliche Gebiß.