Silber-Grusel-Krimi Nr. 189: Das Schattenreich läßt zittern
Silber-Grusel-Krimi Nr. 189: Das Schattenreich läßt zittern


Barbara Bender zitterte. Was sie sah, erregte sie bis aufs äußerste. Die großen, alten Bäume rund um den Waldsee schienen erschreckt zusammenzufahren. Sie duckten sich in blinder Erwartung. Auch der See selbst wirkte seltsam erstarrt. Das ruhige, klare Wasser sah aus wie eine makellose Glasscheibe. Wie ein riesiger Spiegel. Der Schrei hallte noch immer in den Ohren des Mädchens - der Todesschrei. Barbara Bender vermochte nicht zu sagen, was sie so sicher glauben ließ, den Schrei einer sterbenden Kreatur gehört zu haben. Aber sie zweifelte nicht daran. Sie wußte es einfach instinktiv. Barbara saß am Ufer des kleinen Waldsees im Gras und schaute sich unbehaglich um. Sie fröstelte plötzlich. Es war ein menschlicher Todesschrei gewesen. Die Wärme des Sommertages erreichte das Mädchen nicht mehr mit voller Intensität. Es war, als raube eine unsichtbare Kraft der Sonne ihren Glanz. Die Achtzehnjährige wurde vom Grauen überrollt. Noch blitzte die Helligkeit des Spätnachmittags durch das lückenreiche Blätterdach der Bäume. Noch ertönte das naive Geschnatter einer Wildentenfamilie, die sich im feuchten Element tummelte.


von Roland Rosenbauer, erschienen am 02.05.1978, Titelbild: ???