Silber-Grusel-Krimi Nr. 126: Die Skelettfratze
Silber-Grusel-Krimi Nr. 126: Die Skelettfratze


Joan Bannister konnte kein Auge schließen. Sie wußte, daß es in dieser Nacht passieren würde. Clyde benahm sich seit Tagen schon so merkwürdig. Er selbst merkte das vielleicht nicht mal so sehr. Aber sie kannte ihren Sohn gut genug, um zu wissen, wann ihn der Schuh drückt. In dem großen, luxuriös eingerichteten Haus im besten Wohnviertel der Stadt herrschte, bis auf das gleichmäßige Ticken der alten Uhr, die unten im Wohnzimmer auf dem Kaminsims stand, völlige Ruhe. Joan Bannister fuhr sich über die schön geschwungenen Lippen und zog mit ihrem Zeigefinger die Konturen ihres Mundes nach. Das tat sie immer dann, wenn sie nervös war. Ständig blickte sie auf das Leuchtzifferblatt des elektrischen Weckers, der geräuschlos ging und auf dem die Zeiger in wenigen Minuten auf ein Uhr Nachts standen. Plötzlich vernahm sie das Geräusch. Ganz leise klappte eine Tür ins Schloß. Die Frau hielt den Atem an. Die leisen Schritte auf dem dicken Teppichboden waren mehr zu ahnen als zu hören. Sie konnte sich denken, daß Clyde jetzt etwa auf Höhe der Treppe sein mußte. Da richtete sie sich vollends auf und stieg langsam aus dem Bett. Nur mit einem halbdurchsichtigen Nachthemd bekleidet, huschte die fünfundvierzigjährige Fabrikantenwitwe durch das dämmrige Zimmer. Lauschend blieb sie an der Tür stehen.


von Jürgen Grasmück erschienen am 05.10.1976, Titelbild: R.S. Lonati