Raven Nr. 12: Die Schatten-Chronik
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ES wartete seit langer, langer Zeit; Jahrhunderte, vielleicht Jahrtausende,
aber was bedeutete diese Zeitspanne schon in seinem nach Äonen
zählenden Leben? Man hatte ES eingesperrt, aber irgendwann würde
ES wieder frei sein, daran gab es keinen Zweifel. ES hatte schon unzählige
Generationen seiner Bewacher überlebt. Die Priester, die ES vor
Jahrtausenden hierher verbannt hatten, waren längst zu Staub zerfallen,
und selbst die Erinnerung an den Kult, dem sie angehört hatten, war
vom unbarmherzigen Fluss der Geschichte ausgelöscht worden. Andere waren
gekommen und irgendwann untergegangen und in Vergessenheit geraten; zuletzt
der kleine Kirchenorden, der mit erstaunlicher Beharrlichkeit über mehrere
Jahrhunderte hinweg seine Wächterfunktion erfüllt und all SEINEN
Verlockungen widerstanden hatte. Bis zu dem großen Feuer. Seither war
ES einsam. Der bitteren Ironie dieses Ereignisses war ES erst zu spät
bewusst geworden. ES war frei, wurde nicht länger bewacht - und war
dennoch hilflos. Dieselben, die IHM vorher seine Freiheit geraubt hatten,
hatten ES auch über die lange Zeit SEINER Gefangenschaft hinweg mit
einem winzigen Teil ihrer Lebensenergie gespeist. Nach ihrem Tod war auch
ES schwächer und immer schwächer geworden. Wieder waren Jahrzehnte
verstrichen, die ES nur in einem Dämmerzustand zwischen Tod und Leben
verbracht hatten, aber was niemals gelebt hatte, konnte auch nicht sterben.
Irgendwann würden wieder andere Zeiten kommen. ES kannte keine Ungeduld.
Weltreiche stiegen auf und gingen wieder unter - und irgendwann spürte
ES wieder Leben in seiner Nähe. ES fühlte, wie es von neuer Kraft
erfüllt wurde, die die Menschen ihm verliehen. Die Zeit des
Dämmerschlafes war vorüber. ES erwachte.
von Wolfgang Hohlbein und Frank Rehfeld, erschienen am 16.12.2003, Titelbild:
Kovec
Rezension von
Florian
Hilleberg:
Kurzbeschreibung:
Zwanzig Jahre nachdem Raven die Thul Saduum besiegt hat, ist fast alles noch
beim alten: Raven ist ein eher erfolgloser Privatdetektiv, der mit seiner
Verlobten Janice Land zusammenlebt und -arbeitet. Mittlerweile mehr oder
weniger spezialisiert auf mysteriöse Fälle soll Raven einen Friedhof
observieren. Er überrascht eine Gruppe von Möchtegernsatanisten
und will diese gerade nach Hause schicken, als die Särge um ich herum
sich öffnen und untote Skelette sich erheben. Nur mit der Hilfe einer
der Satansbeschwörerinnen gelingt es Raven die Skelette mit Feuer zu
vernichten. Die Satanistin ist keine geringere als Hillary Gifford, die Tochter
des mittlerweile siebzigjährigen Sir Anthony Gifford, dem englischen
Diplomaten. Hillary, die jetzt Benson mit Nachnamen heißt, aber bereits
geschieden ist, lädt Raven zu ihrem Vater nach Hause ein. Der ist beunruhigt
weil die Städte Tokio und Seoul von einer gigantischen Riesenechse
zerstört wurden. Weil Hillary eventuell in Gefahr schwebt, aufgrund
des Angriffs der Skelette, rät Raven dem Ex-Diplomaten mit seiner Tochter
die Stadt zu verlassen. Sir Anthony lädt außerdem Raven und Janice,
sowie den pensionierten Inspektor Card in sein Landhaus ein. Doch kaum ist
die Gesellschaft versammelt passieren merkwürdige Dinge. Das Essen
verwandelt sich in kleine Käfer, die Raven aber schnell vernichten kann.
Er vermutet einen Dämon hinter den Geschehnissen, der die Freunde hierher
gelockt hat, weil sie alle gegen die Mächte der Finsternis gekämpft
haben. Kurz darauf wuchert Efeu um das Gebäude herum und tötet
nicht nur Hillary, sondern auch die drei Leibwächter Sir Anthonys. Raven
hegt einen Verdacht gegen die Haushälterin Mrs. Baltimore. Als er diese
mit der Äußerung er wisse wer hinter den Ereignissen steckt aus
der Reserve lockt, verschwindet sie im Keller durch ein magisches Tor. Raven
und Card folgen der Frau und finden einen weitere Kellerraum. Dort liegt
ein großes Buch, in das Mrs. Baltimore etwas hineinschreibt. Aus der
Wand des Kellers lösen sich steinerne Monster, welche die beiden Freunde
sofort attackieren. Raven wird dabei getötet, doch Card gelingt es Mrs.
Baltimore zu erschießen und das Buch zu verbrennen. Dadurch werden
die Ereignisse im Landhaus, einschließlich der Todesfälle von
Hillary, Raven und den drei Leibwächtern, sowie die Zerstörungen
der Großstädte durch Godzilla rückgängig gemacht. Das
Buch war nämlich einen denkende Wesenheit, die sich Menschen untertan
machte und sich ihre düsteren Gedanken hineinschreiben ließ, die
dann Wahrheit wurden. Das erste Opfer des Buches war ein Elektriker, der
ein Fan von Godzilla war, wodurch die Riesenechse auftauchte. Da die Ereignisse
noch nicht lange genug Bestand hatte, waren sie noch nicht im Zeitlauf gefestigt,
so dass sie Rückgängig zu machen waren.
Meinung:
Ein sehr ungewöhnlicher Roman, aber äußerst spannend und
sehr flüssig zu lesen. Ich denke dieser Roman wird sehr zwiespältige
Gefühle auslösen, entweder man mag ihn oder man mag ihn nicht.
Mir hat der Abschlussband allerdings sehr gefallen. Ich habe den Roman in
Rekordzeit verschlungen und mir hat auch das sehr überraschende und
nicht ganz ernstgemeinte Ende der Geschichte sehr gut gefallen. Vielleicht
ist es unnötig gewesen Mrs. Baltimore gleich zu erschießen, ein
Schuss in die Schulter hätte wahrscheinlich dieselbe Wirkung gehabt.
Aber möglicherweise hatte Card im Kampfgetümmel nicht die Zeit
noch großartig zu zielen. Auf jeden Fall ist dieser Roman allen Hohlbein-
und Raven-Fans wärmstens zu empfehlen.
5 von 5 möglichen Kreuzen:

Kommentare zum Cover:
Das Cover von Kovec passt zum Roman, auch wenn keiner der Protagonisten (und
auch keiner der Antagonisten) eine deratige Kutte getragen hat. Das Bild
ist sehr düster und spiegelt das Talent des Künstlers wieder.
Coverbewertung: