Professor Zamorra Nr. 87: Im Schloß des teuflischen Zwerges
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Schwefelgelbe Blitze zuckten aus dem wolkenverhangenen Himmel. Gleich darauf
rollte berstender Donner über das Land. Bäume und Sträucher
bogen sich unter dem peitschenden Wind. Gewaltige Wassermassen prasselten
auf die Erde. Graue Gemäuer ragten düster empor, schienen von den
jagenden Wolken umschlungen zu werden. Das Schloß stand auf einer riesigen
Felsklippe, unter der das Meer brandete. Die meterhohen Weilen kletterten
gischtsprühend an den steilen Felsen hoch. Im Südturm des Schlosses
brannte Licht. Über fünfzig brennende Kerzen erhellten einen
großen Raum und warfen zuckende Schatten über die unverputzten
Wände, an denen Bilder und Waffen hingen. Verstaubte Ritterrüstungen,
von Spinnweben überzogen, lehnten in den Ecken. In der Mitte des Zimmers
stand ein Altar aus schwarzem Stein, von dem ein unheimliches Glühen
ausging. Ein großes, in Leder gebundenes Buch lag auf dem Opfertisch.
Es sah sehr unansehnlich aus und mußte schon uralt sein. Dahinter stand
eine kleine bucklige Statue. In dem verzerrten Gesicht funkelten zwei
rotglühende Augen. Sie strahlten ein teuflisches Feuer aus. Die Arme
des höchstens einen halben Meter großen Standbildes waren
gekrümmt, und die Hände endeten in Krallen. Mitternacht. Dumpf
hallten Glockenschläge durch den Turm. Knarrend schwang die große
Portaltür zurück, die in das Turmzimmer führte. Ein eisiger
Luftzug brachte die zuckenden Kerzen fast zum Erlöschen.
von Jürgen Duensing, erschienen am 18.10.1977
Rezension von
Wolfgang
Trubshaw:
Kurzbeschreibung:
Sir Jonathan Drake, ein schottischer Gentleman, der sich amateurhaft mit
Übersinnlichem beschäftigt, tappt in seiner unbedarften
Esoterik-Besessenheit in die Fänge des Dämonengottes der Zwerge,
eines gewissen Großen Lauriel. Dieser verwandelt Sir Drake in einen
verrunzelten Zwerg, und erpresst ihn damit, nur dann wieder seinen Zauber
von ihm zu nehmen, wenn er ihm neue Diener für sein Dämonenreich
verschafft, darunter (um gleich zwei Fliegen mit einer Klappe zu schlagen)
solle auch Professor Zamorra sein. Sir Drake ladet nun einige Esoterik- und
Parapsychologie-Experten zu einer Art Tagung auf sein schottisches Schloss
ein, wo sie in die Dämonenfalle gehen sollen. Im Laufe des Hefts werden
die anwesenden Gäste (alles Männer, mit Ausnahme von Nicole, die
ihren Chef in ihrer Funktion als Sekretärin begleitet) verzaubert und
schrumpfen zusehends, bis sie irgendwann nichtmal mehr drei Zentimeter groß
sind. Während Zamorra alleine in Lauriels Reich vorstößt,
müssen sich Nicole und die Herren in ihrer geschrumpften Form mit allerlei
(natürlich und nichtmagischem) Getier auseinander setzen, wie Spinnen
und Insekten. Schlussendlich gelingt es dem Meister des Übersinnlichen
natürlich zu triumphieren und den Schrumpfzauber rückgängig
zu machen
Meinung:
Dieser Roman von Jürgen Duensing ist zwar an sich äußerst
konfus, und teilweise unfreiwillig komisch, gespickt mit Tippfehlern, und
fragwürdiger Beistrichsetzung, hat aber dennoch einen gewissen Reiz.
Erstens hat das Heft einen angenehmen Spannungsbogen, indem es weder zu schnell
zur Sache kommt, noch dem Autor gegen Ende zu viele oder zu wenige leere
Seiten übrig geblieben wären. Hinzu kommt, dass Zamorra selbst
im Heft teils recht ratlos und somit Anti-Superheldenhaft wirkt, auch sein
Umgang mit dem Amulett aus heutiger Sicht zwar teils kreativ, aber doch recht
unbeholfen wirkt, wodurch sich dieses Heft rückblickend nach über
800 Nummern eine gewisse Glaubwürdigkeit als Geschichte aus Zamorras
Anfangsjahren verdient. Etwas aus dem Konzept bringt den Leser, der mit
moderneren Zamorra-Heften vertraut ist, allerdings die ständige Bezeichnung
des Professors als "Geisterjäger", einmal sogar als "Dämonenkiller".
Durch den Schrumpfzauber entstehen teils surreale Szenerien, etwa als der
winzige Zamorra sich stundenlang die Steintreppe in den ersten Stock
bergsteigerisch empor arbeiten muss, nur um dann vor der Hügellandschaft
der groben Steinfliesen zu stehen, oder dadurch, dass er eine (eigentlich
nur knapp 50cm große Statuette Lauriels) erklimmen muss, um auf winzige
Größe geschrumpft durch den offenen Mund der Statue in das Reich
Lauriels einzudringen. Der Autor scheint allerdings ein grotesk schlechtes
Vorstellungsvermögen von Größenverhältnissen zu haben,
da er etwa zu einem Zeitpunkt als die Gäste knapp einen halben Meter
groß sind, eine stinknormale kleine Spinne auftreten lässt, über
die er schreibt, dass sie proportional zu den Menschen wie ein ausgewachsener
Tiger wirkt. Da ein ausgewachsener Tiger locker zwei Meter lang ist, müsste
die Spinne an die sechzig Zentimeter Durchmesser aufweisen, aber im kalten
Schottland gibt es solche Viecher leider nicht. Darüber hinaus spricht
der Autor explizit von sechs(!) haarigen Beinen der Spinne, also mit
Biologiekenntnissen dürfte es Herr Duensing auch nicht so dolle gehabt
haben. Ein anderes mal sind sie kaum noch fünf Zentimeter groß,
und er schreibt, dass Zamorra eine Stricknadel wie einen Speer benutzt. Bei
einer derartigen Größe wäre die Stricknadel allerdings
länger als eine Pike aus dem Dreißigjährigen Krieg, und der
gute Professor könnte damit sicher nicht einfach all das anstellen,
was der Autor beschreibt. Auch das ständige anpassen der nicht
mitschrumpfenden Kleidung wirkt irgendwann nur mehr lächerlich. Am
frustrierendsten ist allerdings der Umstand, dass der Autor ohne guten (zumindest
mir ersichtlichen) Grund am Ende des Heftes die Figuren das erlebte nur als
Wahntraum empfinden lässt. Auch das Schicksal Sir Drakes wird im weiteren
Verlauf des Heftes nicht mehr besprochen, und am Ende verabschiedet er sich
nett vom Professor, und die ganze Szene wirkt irgendwie unzufriedenstellend.
Besonderheiten:
Bei Zamorras eintreten in Lauriels Dämonenreich wird er von einer Art
Sonne des reinen Lichtes, die offenbar für eine höhere gute (aber
nicht explizit göttliche) Macht steht, gestärkt und sein Amulett
aufgeladen, gleiches passiert beim Verlassen des Dämonenreiches. Es
wird somit also bereits in Vor-Giesa'scher Zeit das Vorhandensein potentiellen
Beistandes impliziert
2 von 5 möglichen Kreuzen:
Kommentare zum Cover:
Ein typisches und durchschnittliches Ballestar-Gemälde. Da Nicole die
einzige Frau ist, die im Heft vorkommt, soll die Dame auf dem Cover wohl
auch sie darstellen, aber für mich sieht das eher nach
Jane-Collins-Verschnitt aus als nach Nicole, da die gute Dame so überhaupt
nichts Siebzigerjahrehaftes-Französinnenartiges an sich hat. Der Zwerg
ist nicht Lauriel, sondern wohl Sir Drake in Zwergengestalt, die Szene kommt
aber so nicht wirklich im Roman vor. Die vielen Kerzen werden hingegen
erwähnt.
Coverbewertung: