Professor Zamorra Nr. 67: Die Teufelskrake

Professor Zamorra Nr. 67: Die Teufelskrake


Stürmisch kam der heiße Schirokko vom Südosten herauf. Wild fuhr er auf die Klippen der kleinen sizilianischen Inseln zu. Aber zuvor peitschte er das Meer auf, bohrt sich bis hinunter auf den Grund und schien die gischtende See vom Boden her hochzuheben und in die Luft zu schleudern. Die Männer in den Booten kannten das. Sie waren die Todesgefahr gewöhnt. Drei Fischer hockten in dem kleinen Boot. Der alte Luigi Tresi mit seinen Söhnen. Alberto, das war der Älteste. Und der jüngste hörte auf den Namen Simone. Sie jagten den Thunfisch, sie wussten, wo weiter draußen die riesigen Schwärme der Schwertfische standen. Aber heute wurden sie selber gejagt. Nicht nur vom Sturm, der seine Fänge über Meer und Boot ausstreckte. Der junge Simone sah das Schreckliche, das Unglaubliche, als erster. "Padre!" schrie er aus. "Vorsicht!" Alle blickten gespannt in die Richtung, in die sein Arm zeigte. Da sahen sie es. Durch die hohen Wellenberge glitt ein riesenhafter schwarzer Körper. Schon war er heran. Wie die Greifer eines Baggers wühlten sich die Arme des Kolosses durchs Wasser. Und plötzlich griff einer dieser gewaltigen Arme nach dem Boot! Ein weiterer Arm folgte. Und dann die Schreie der Männer. Schreie aus Todesfurcht und Entsetzen, Die Arme des Ungeheuers rissen das Boot an sich, schlangen sich um den schlanken Holzleib, der halb ins Wasser getaucht war. Die Planken barsten unter dem gewaltigen Druck dieser Arme. Boot und Männer wurden zerquetscht wie eine Nussschale. Nur Luigi Tresi, der Vater, konnte sich retten. Er sah das Ungeheuer, und er glaubte, in die Hölle hineinzusehen. Er sah einen Wellenberg herankommen. Da sprang er. Er glaubte, mitten ins Land des Todes zu stürzen. Denn unter dem Meer schien sich die Erde aufzutun. Das Unfassbare war geschehen. Ein Monster, schwarz und unbesiegbar, hatte Boot und Söhne vernichtet.


von Dieter Saupe, erschienen am 11.01.1977, Titelbild: Vicente Ballestar