Professor Zamorra Nr. 63: Der Hüter des Bösen

Professor Zamorra Nr. 63: Der Hüter des Bösen


Haß, mörderischer unversöhnlicher Haß bestimmte das gesamte Denken und Fühlen Henry Montpelliers. Gleich würde es soweit sein. Er spürte das Nahen des Feindes mit ungeheurer Intensität. Der Feind hatte nur noch wenige Kilometer zurückzulegen. Und dann... Sein Blut kochte vor Erregung. Speicheltropfen rannen über sein Kinn. Er befand sich in der Bibliothek im Hause seines Geschäftspartners Pierre Martin. Das Gebäude war mehrstöckig und wurde ringsum von einer großen, gepflegten Gartenanlage umgeben. Die Bibliothek lag im ersten Obergeschoß, genau über dem Hauseingang. Bald darauf wurde draußen das Geräusch eines sich nähernden Autos hörbar. Henry Montpellier ging zur Balkontür, öffnete sie und trat nach draußen. Die Abendluft war schmeichlerisch warm und mit den Wohlgerüchen zahlloser Blumen und Pflanzen angereichert. Zwischen den Wipfeln der Bäume lugte die Sichel des Mondes hervor. Die fernen Sterne blinkten wie kleine Kerzenflämmchen. Aber Montpellier hatte für die Schönheit der Natur zur Zeit keinen Sinn. Er konzentrierte sich ganz auf die schmale Auffahrt, die jetzt von zwei immer näher kommenden Scheinwerfern erhellt wurde. Sein Gesicht verzerrte sich zu einer gräßlichen Fratze. Unendliche Grausamkeit trat in seine Züge. In seinen Augen, katzenhaft verengt, leuchtete ein kaltes Feuer. Die Nase verformte sich zu einem schwarzen, kugelartigen Gebilde, die Ohren vergrößerten eich zu lappigen Dreiecken. Sein Mund wurde zu einem Rachen, in dem die überdimensional großen Zähne nicht mehr genug Platz fanden und über die wulstigen Lippen hinausragten. Fellstreifen, schwarz, gelblich, braun, drängten seine Gesichtshaut in den Hintergrund. Ganz dicht trat er an das Balkongeländer heran und wartete.


von Hans-Wolf Sommer, erschienen am 16.11.1976