Professor Zamorra Nr. 62: Der tödliche Zauber

Professor Zamorra Nr. 62: Der tödliche Zauber


Mit einem halberstickten Seufzer schreckte der Mann aus dem Schlaf. Irgend etwas hatte ihn geweckt, ihn unsanft und gegen seinen Willen aus der Weit seiner Träume in die Wirklichkeit des zwar luxuriösen, aber trotzdem unpersönlichen Hotelzimmers gerissen. Es dauerte eine Weile, bis der Mann wieder wußte, wo er sich befand und was er erlebt hatte. Seine Gedanken waren erfüllt von dem Bild einer Frau, eher eines Mädchens, das ihm völlig den Kopf verdreht hatte. Gert Rall, so hieß der Mann, lächelte bei dem Gedanken, daß er verliebt war wie ein Oberschüler nach der ersten Tanzstunde. Sein Blick wurde träumerisch als er sich an die vergangene Nacht erinnerte. Dabei fiel ihm auch ein, was sich verändert hatte und ihn vielleicht geweckt haben konnte. Die Balkontür stand weit offen, und der Vorhang bauschte sich im lauen Wind. Gert Rall schaute sieh um und stellte lest, daß das Mädchen verschwunden war. Das Kopfkissen neben ihm sah aus, als hätte nie jemand darauf gelegen. Das gleiche galt für die Bettdecke. Verwirrt hob Gert Rall die Hand und wollte sich die Haare aus der Stirn streichen, als er mitten in der Bewegung verharrte. Ein Gurgeln entrang sich seiner Kehle. Als stünde er dem Horrorwesen aus einem Alptraum gegenüber, so starrte er mit geweiteten Augen auf seine Hand. Die Haut war welk, verbraucht, die Finger wie von Gicht gekrümmt, und braune Altersflecken bildeten zum Blau der Adern unter der Haut einen makaberen Kontrast. Es wer die Hand eines Greises - und Gert Roll war erst zweiunddreißig Jahre alt. Der auf so schreckliche Weise Verwandelte rollte sich in fieberhafter Hast aus dem Bett und stürzte hinüber zur Balkontür. Ein völlig irrwitziger Gedanke war ihm durch den Kopf gezuckt. Sollte das Mädchen etwa ... ? Auf dem Weg zum Balkon kam er an einem antik wirkenden Schmuckspiegel vorbei. Unabsichtlich wandte er den Kopf - und schrie entsetzt auf. Er schaute direkt in das Gesicht eines uralten und ihm fremden Mannes!


von Michael Kubiak, erschienen am 02.11.1976