Der Magier Nr. 11: Schreie aus dem Alptraum-Atelier

Der Magier Nr. 11: Schreie aus dem Alptraum-Atelier


Das Gemälde war fast vollendet. Es zeigte einen Menschen im unteren Geäst eines Baumes, der sich eben eine Schlinge um den Hals legt. "Judas Ischarioth" war am unteren Bildrand zu lesen. Der Verräter Judas im Angesicht des Todes! Noch hatte Judas kein Gesicht, aber schon näherte sich ein sicher geführter Pinsel der Stelle, wo das Gemälde noch vollendet werden mußte. Um den Hals des Malers war ebenfalls eine Schlinge gelegt. "Judas Ischarioth", Rief Damiano Perrez bitter, während er das Gesicht zu malen begann. Das Gesicht war das gleiche, das ihm aus einem Spiegel entgegenstarrte. Sein Gesicht... "Wie er seinen Meister verriet, so verrate ich mein Leben", flüsterte Perrez. Hastig mischte er neue Farben. Allmählich erhielt das Gesicht Kontur. Noch einige Feinheiten galt es auszuführen- und fertig war sein Meisterwerk. Ganz Madrid würde nach seinem Tod über dieses unglaubliche Gemälde staunen. Das Gesicht des Verräters auf dem Bild wurde deutlich sichtbar. Zwar gab ihm Perrez rötliche Haare statt seinem schwarzen Krauskopf, dennoch blieben es seine Gesichtszüge. "Studienkollegen mit weit weniger Talent sind heute berühmt", klang die gequälte Stimme des Malers wieder auf.


von W.K. Giesa, erschienen 1983, Titelbild: ???