John Sinclair Nr. 1684: So grausam ist die Angst
Rosy Mason fürchtete sich vor dem nächsten Tag und nicht so sehr
vor der kommenden Nacht, auch wenn es sich kaum abkühlen würde.
Aber der Tag würde noch schlimmer werden, weil eine Beerdigung bevorstand.
Ihre beste Freundin Tamara war gestorben, und das mit knapp dreißig
Jahren. Rosy konnte es noch immer nicht fassen. Zudem war es kein
natürlicher Tod gewesen, aber auch kein Mord, sondern ein Unfall. Ein
Truckfahrer hatte geschlafen und die Frau auf dem Fahrrad nicht gesehen.
Beim Abbiegen war es passiert
von Jason Dark, erschienen am 19.10.2010, Titelbild: Okon
Rezension von
Florian
Hilleberg:
Kurzbeschreibung:
Jason Dark kommt sich, laut einem aktuellen Interview, nicht wie ein Autor
vor, sondern wie ein Regisseur. Er bezeichnet sich selbst als sehr visuell.
Für den vorliegenden Roman müssen wir uns das folgendermaßen
vorstellen:
Eine junge Frau namens Rosy Mason wälzt sich unruhig in ihrem Bett herum.
Morgen wird ihre beste Freundin Tamara beerdigt, die von einem Lastwagen
überfahren wurde. Plötzlich steht eine diffuse Gestalt neben ihrem
Bett. Ein Geist? Die Gestalt gibt sich als Mittler zwischen den Lebenden
und Toten aus und verschwindet mit dem Versprechen, dass sie sich wiedersehen
werden.
Szenenwechsel: John und Suko fahren mit mehreren Mitarbeitern von
Scotland Yard in einem Bus zum Friedhof, wo ein Kollege beerdigt wird. Zeitgleich
sehen sie eine zweite Trauergemeinde auf dem Totenacker. Auffallend sind
die wenigen Trauergäste, sowie ein fehlender Pfarrer. Stattdessen sieht
John einen hochgewachsenen Mann bei der Gruppe, der wie ein Althippie aussieht.
Gleichzeitig erwärmt sich sein Kreuz.
Auch Rosy Mason befindet sich auf der Beerdigung und erkennt in dem Althippie
den Geist von gestern Nacht wieder. Völlig verstört flieht sie
auf den Parkplatz, wo der sonderbare Mann plötzlich vor ihr steht und
sich als Darco Uvalde vorstellt, ein Schamane, der den Geist von Rosys bester
Freundin Tamara ins Jenseits geleiten will. Zugleich will er aber auch, dass
Rosy Kontakt mit Tamara aufnimmt. Als John erscheint nimmt Uvalde Reißaus.
John und Rosy tauschen ihre Telefonnummern aus. Zurück im Yard recherchieren
die Geisterjäger über Darco Uvalde nach, finden jedoch nichts heraus,
und so beschließen sie der Familie von Tamara einen Besuch abzustatten.
Dabei platzen sie in eine Zeremonie herein, die wie eine Selbsthilfegruppe
wirkt. Tamaras Bruder stürzt sich plötzlich wie besessen auf John
Sinclair und wird von Suko zu Fall gebracht. John treibt mit seinem Kreuz
den Geist des Schamanen aus dem Körper des jungen Mannes. Mehr können
sie hier nicht ausrichten. Dafür nimmt Uvalde erneut Kontakt mit Rosy
auf und fordert sie auf in der nächsten Nacht zum Friedhof zu kommen,
um dort Tamara wiedertreffen. Bevor sich Roys Mason auf den Weg macht, informiert
sie John Sinclair und Suko über die seltsame Einladung. Rosy Mason ist
voller Angst, doch glücklicherweise liegt zur richtigen Zeit, am richtigen
Ort immer eine Kiste mit Faustfeuerwaffen und Handgranaten herum
Meinung:
Mit einem Wort: Langweilig! Wenn das die Filme sein sollen, die Jason Dark
auf seiner imaginären Leinwand laufen hat, ist der arme Mann eigentlich
nur zu bedauern. Bis auf die üblichen ausgewalzten Dialoge und endlosen
Gedankenschleifen der Protagonisten passiert kaum etwas Nennenswertes in
diesem Roman. Bereits der Anfang zieht sich wie ein Kaugummi. Von den
Ungereimtheiten einmal ganz zu schweigen. Zunächst ist der Geist neben
Rosys Bett ein gesichtsloser Schemen, aber auf dem Friedhof erkennt sie in
ihm sofort Darco Uvalde wieder. Auf der Hinfahrt zur Beerdigung sitzen John
und Suko mit ihren Kollegen im Bus, doch nach der Szene auf dem Parkplatz
stehen sie plötzlich neben ihrem Rover. Die Szene mit der Selbsthilfegruppe
in Sachen Schamanismus ist zum einen total überflüssig, zum anderen
aber auch die einzige, in der ein Hauch Action steckt. Und da das übliche
Kreuz/Beretta/Dämonenpeitsche so abgeschmackt ist, lässt der Autor
neuerdings einfach überall eine Kiste mit Handgranaten herumstehen.
In Band 1645 "Blutsturm" war das ja noch zu verschmerzen und auch irgendwo
schlüssig, doch dass Waffenhändler ihre Ware auf einem belebten
Friedhof in London herumliegen lassen ist schlicht und ergreifend
unglaubwürdig. Immerhin scheinen diese anonymen Waffenhändler im
nächsten Roman eine wichtige Rolle zu spielen. Gegenüber diesem
drögen Machwerk kann der jedenfalls nur besser werden. Schließlich
sind auch die Beweggründe von Uvalde mehr als nebulös und das Finale
säuft buchstäblich im Wolkenbruch ab, der sich über die Figuren
ergießt. Was der Titel letztendlich mit dem Inhalt zu tun haben soll,
hat sich mir bis heute nicht erschlossen.
Fazit: So grausam ist die Angst, dass dieser Roman kein einmaliger Ausrutscher
war. Langweilig und unlogisch von der ersten bis zur letzten Zeile.
0 von 5 möglichen Kreuzen:
Kommentare zum Cover:
Eigentlich der Hauptgrund, weshalb dieser Roman erworben wurde. Das Motiv
hätte zwar besser zu einem Saladin-Roman gepasst, ist aber
äußerst kunstvoll in Szene gesetzt worden. Bis auf die roten Punkte
der Laserzielerfassungen kommt die Szene im Roman fast genau so vor.
Coverbewertung:
Rezension von
VoXpOpZ:
Kurzbeschreibung:
Die junge Rosy Mason wird von einem Schamanen namens Darco Uvalde verfolgt,
dessen Ziel es ist, sie mit dem Geist ihrer verstorbenen Freundin Tamara
zusammenzuführen. Zu spät erkennt Rosy, dass Uvalde sie töten
will. John gelingt es jedoch, Rosy rechtzeitig aus seinen Fängen zu
befreien und den Geist ihrer toten Freundin zu vertreiben.
Meinung:
Der Tod eines Menschen, der Verlust, das Abschiednehmen und das Weiterleben
ohne ihn sind allgegenwärtige Bestandteile des Lebens, mit denen sich
jeder früher oder später auseinandersetzen muss. Nicht selten geschieht
das in Zusammenhang mit der Frage nach dem Danach. Gibt es ein Leben nach
dem Tod? Wohin wandert die Seele? Kann es einen Kontakt zwischen unserer
Welt und der Welt der Toten geben?
"So grausam ist die Angst" beschäftigt sich mit eben diesem Thema und
bietet per se beste Voraussetzungen für einen spannenden Roman, mit
dem sich jeder identifizieren kann. Leider aber gibt der Verfasser der Versuchung
nach, das Thema vor einem ganz speziellen, religiös-rituellen Hintergrund
zu erzählen. Damit schränkt er sich in seinen Möglichkeiten
ein, denn Schamanismus ist für viele ein eher abstrakter Begriff und
wirkt nur in den seltensten Fällen packend und gruselig: Die
Beschwörungsrituale des Schamanen im Roman wirken auf den ersten Blick
ziemlich lächerlich, auf den zweiten sogar überaus nervig. Vor
Darco Uvalde (was für ein dämlicher Name) kann man sich einfach
nicht fürchten, auch wenn der Verfasser ständig bemüht ist,
ihn bedrohlich wirken zu lassen. Leider bleibt deshalb die stete Bedrohung
für Rosy absolut diffus und auch der Titel des Hefts (übrigens
der stärkste seit Nr. 1649
"Niemals sterben") läuft ins Leere. Rosys ach so grausame Angst ist
schlicht und ergreifend nicht nachvollziehbar.
Weiterer Kritikpunkt an diesem Roman ist seine ausgesprochen lahme Dramaturgie.
Spannung kommt so gut wie gar nicht auf, die Geschichte ist einfach schlecht
erzählt. Wenn es doch um Rosys enge Freundschaft zu Tamara geht, warum
taucht Tamara dann erst in der vorletzten Szene auf, und nicht zu Beginn
des Romans, etwa um ihrer Freundin anzukündigen, sie zu sich zu holen?
Das so etablierte Leitmotiv der ANGST, von der einst besten Freundin
getötet zu werden, wäre dem Spannungsbogen besser bekommen und
hätte nicht zuletzt dem Titel Rechnung getragen. So aber weiß
man nicht wirklich, um was es eigentlich geht, und warum Uvalde Rosy nicht
sofort bei seinem ersten Erscheinen tötet, bleibt die große Frage.
Aber auch abgesehen davon gibt es jede Menge Schönheitsfehler. Die
Beerdigungs-Szenen auf dem Friedhof beispielsweise sind sehr bildhaft
beschrieben, wirken im Nachgeschmack aber auch nur dröge. Johns und
Sukos zufälliges Auftauchen dort ist schlecht konstruiert, ihre Recherche
im Wohnblock der Russen überflüssig, das rechtzeitige Eingreifen
im Finale vorhersehbar. Parallel zur eher halbherzig beschriebenen Arbeit
der Geisterjäger sind wir immer wieder bei Rosy Mason, in ihrer Wohnung,
in ihrem VW Polo. Scheinbar beliebig wechselt der Erzähler zwischen
den Handlungssträngen, ohne einem handfesten Konzept, einer dramaturgischen
Struktur zu folgen.
Abgesehen vom wenig überraschenden Eingreifen der Geisterjäger
ist das Finale aber ein Lichtblick, denn es wartet mit einer doch
überraschenden Wende auf. Die Handgranatennummer ist wirklich spannend
und bietet eine erfrischende Alternative zum klassischen Finale. Fragwürdig
bleibt allerdings, dass Rosy zufällig über eine Kiste mit Waffen
stolpert. Hoffentlich bringt der Folgeband, der eine indirekte Fortsetzung
zu sein scheint, hier noch Licht ins Dunkel. Atmosphärisches Highlight
des Romans ist übrigens der reinigende Regen, der inszenatorisch wunderbar
auf unsere Helden herabfällt, nachdem alles überstanden ist.
Passenderweise beschließt er aber auch einen Roman, der den Leser irgendwo
im Regen stehen lässt. Eigentlich schade, denn hier scheint ein Autor
tätig gewesen zu sein, der sein Handwerk sonst versteht.
1 von 5 möglichen Kreuzen:
Kommentare zum Cover:
Das Cover ist künstlerisch nicht zu bemängeln, allerdings ist es
doch fraglich, ob es zur Sinclair-Serie passt.
Coverbewertung: