Jaqueline Berger Nr. 12: Der Junge mit dem dunklen Keim
Jaqueline Berger Nr. 12: Der Junge mit dem dunklen Keim


Andernach – 06.04.2003 / 10:00 Uhr
Mein Blick fiel aus dem Fenster des kleinen Dachzimmers, welches mir meine Eltern in ihrem Haus eingerichtet hatten. Die kleine Stadt erstreckte sich vor mir, doch nach der Aussicht, welche ich inzwischen von New York und meinem dortigen Appartement gewöhnt war, wirkte es erschreckend leer. Ein paar ältere Häuser mit Giebeldächern, Stromleitungen und kleinen Gärten, in denen es allmählich blühte. In der Ferne, aber das konnte ich nicht sehen, floss der Rhein durch die Stadt. Meine Gedanken trieben ab. Zwölf Tage hatte der Krieg zwischen den Halb- und den Reinrassigen gedauert und er war mit einer Vehemenz geführt worden, wie sie nicht einmal die Gangs von New York kannten. Vampire und Halbrassige waren ihm zum Opfer gefallen, Menschen und auch ein paar Werwölfe, die sich jedoch klugerweise nach acht Tagen zurückgezogen und den Vampiren das Feld überlassen hatten. Mit Diana-Marie waren alle Hoffnungen auf eine gütliche Einigung gestorben. Mehr noch – es war, als habe er den Hass der Reinrassigen ins Unermessliche gesteigert, und dies mussten ihre Feinde erkennen. Wo immer sie sich aufhielten, wo immer sie sich verbargen – wir fanden und vernichteten sie. So lange, bis einzig ein kleiner harter Kern um Lockwood übrig geblieben war und der verblendete, aufrührerische Anführer der Halbrassigen eine bedingungslose Kapitulation akzeptieren musste – einschließlich Kniefall vor Akira und mir. Ich gebe zu – am liebsten hätte ich diesem Arschloch die Eingeweide herausgerissen, ihm um den Hals gewickelt und seinen sterbenden Leib am Turm der Trinity Church aufgehängt, damit ihn jeder sehen konnte. Aber dies hätte mir Diana-Marie auch nicht zurückgebracht und so war mir am Ende nichts anderes übrig geblieben als grimmige Miene zum bösen Spiel zu machen. Dann, nachdem der Krieg beendet und die Parteien ihre Toten gezählt hatten, also so was wie Normalität in das Leben der Vampire New Yorks eingezogen war, hatte ich gemerkt, wie sehr mich der Verlust doch getroffen hatte. Ohne den täglichen Kampf und allein mit mir war der Schmerz unerträglich geworden. So tief sitzend, so alles überdeckend. Zudem schien es niemanden zu geben, der mir hätte helfen können. Nicht Amber, nicht Clarissa Edgecomb und auch nicht Lara. Von keinem konnte ich erwarten, dass er mich verstand. Der Verlust auf der einen Seite, meine Verwandlung zu einem Wesen, welches den Vampiren näher war als ein Mensch auf der anderen. So viel war in so kurzer Zeit geschehen. Zu viel, um es alleine mit sich auszumachen. Wer aber blieb, wenn man alle anderen ausschließen musste? Eben die Eltern. Auch wenn sie sicherlich niemals erfahren würden, in was ich mich verwandelt hatte. Wobei ich mir dessen nicht mal sicher war, denn zum einen besaß ich zwar Fangzähne, zum anderen aber schlug mein Herz wie bisher, brauchte ich Flüssigkeit und Nahrung jenseits von Blut, um zu existieren, und war wahlweise am Tag oder bei Nacht aktiv. Andererseits brauchte ich jedoch Blut, konnte ohne diesen besonderen Saft nicht mehr sein. Eine groteske Situation, mit der ich nun – da Diana-Marie nicht mehr lebte – alleine fertig werden musste. War Andernach der richtige Ort, um meine Trauer zu überwinden? Ich wusste es nicht. Abgesehen von meiner Mutter, die mir Trost geben konnte, wäre meine fast fertige Insel sicherlich ein gutes Domizil gewesen. Andererseits waren dort neben Suzanne einige Arbeiter, Lärm und Trubel. Hier zu Hause hingegen gab es das nicht. Hier standen mir alle Möglichkeiten offen, um zu trauern, den Schmerz zu akzeptieren und einen Weg zurück ins Leben zu finden. Mein Zimmer mit den Erinnerungsstücken an meine Jugend, in dem ich mich verkriechen konnte. Eine kleine City mit allem, was man so brauchte, wenn ich ausgehen wollte. Koblenz oder Köln in der Nähe, wenn es mich nach Menschen gelüstete. Die Uferpromenade für lange Spaziergänge. Es war die richtige Entscheidung gewesen, hierher zu kommen. Raus aus New York, weg von dem Moloch und zurück zu den Wurzeln. Tränen schimmerten in meinen Augen, während ich auf einen Schnappschuss starrte, der Diana-Marie zeigte. Sie war die perfekte Partnerin gewesen, wissend und in jeden Aspekt meines Seins eingeweiht. Allein die Vorstellung, sie niemals wieder in Armen zu halten, mit ihr durch die Nacht zu ziehen oder einfach nur zu telefonieren, ließ mich schier verzweifeln. Ihr Tod hatte eine Leere in mir hinterlassen, die kaum ein Mensch jemals würde füllen können. Alles, ich hätte wirklich alles dafür gegeben, sie zurückzubekommen. Diesen einen Moment ungeschehen zu machen, als sie von der Kugel getroffen wurde. Aber dies war nicht möglich, denn niemand durfte das Rad der Zeit zurückdrehen. Auch ich nicht, weder mit meiner Kette, dem Dolch oder meinen Kräften. Was war, das war. Dies war ein Fakt, mit dem ich leben musste. Obgleich es natürlich verführerisch gewesen wäre, die Vergangenheit zu ändern. Schon einmal hatte eine Zeitreise geholfen, Schlimmes zu verhindern. Doch dieses Risiko einzugehen – das war mir schmerzlich bewusst – wäre vollkommen falsch gewesen. Nicht, um das Leben meiner Freundin zu retten. Tat man es einmal, musste man es immer tun. Ein Kreislauf, der rasch in die Katastrophe hätte führen können.


Rezension von Benfi:


Kurzbeschreibung:
Nach dem Krieg der Vampire und dem Tod von Diana-Marie bleibt Jaqueline nur die Trauer. So zieht sie sich in das Elternhaus nach Andernach/Deutschland zurück. Doch auch dort wird sie von ihrem Leben eingeholt, als niemand geringeres als die SSSK ein Mordanschlag an ihr verübt. So setzt sie sich mit Linda und Easy in Verbindung, die gerade an einem kuriosen Fall mit dem Jungen David Mansuko, welcher wohl paranormale Fähigkeiten besitzt. Und mehr noch: die SSSK will den Jungen unbedingt in ihre Obhut bekommen, da ihnen der Satanist Robert Ferdinand Wagner offenbart, dass der Siebenjährige nicht nur sein leiblicher Nachkomme, sondern auch der Sohn von Luzifer sei! Eine Offenbarung für die SSSK und eine Gefahr für JB und Co!


Meinung:
Trotz des schockierenden Ende des letzten Romans muss es auch für Jaqueline Berger weiter gehen. Und dies tut es auch...mit einem weiteren Knaller! Es ist zwar noch etwas ungewöhnlich, dass die sympathische Hauptfigur nun eine Vampirin ist, doch so langsam finde ich auch Gefallen an der Idee! Die Vorzüge einer solchen Figur schildert Autor Gunter Arentzen hier schon einige Male. JB besitzt eine offensichtlich unglaubliche Geschwindigkeit und Stärke, die ihr wohl noch oftmals hilfreich sein kann! Ein Wermutstropfen ist allerdings, dass der Krieg zwischen den Halb-und Reinrassigen Vampiren so schnell abgehandelt wurde. Aber der massive Auftritt der SSSK gefällt mir in diesem Roman sehr gut, mit welchem ich insgesamt bestens unterhalten wurde und ich mich schon auf den nächsten Band freue, denn das wird wieder ein Sonderband sein!


Besonderheiten:
Erscheinungsdatum: Juni 2005
- der Krieg der reinrassigen gegen die halbrassigen Vampire wurde nach 12 Tagen für die Reinrassigen entschieden
- der Satanist Robert Ferdinand Wagner hat einen leiblichen Sohn namens David Mansuko, der von der SSSK als Sohn des Teufels angesehen wird
- Wagner wird von der SSSK fallen gelassen und so wegen Mordes verhaftet


4 von 5 möglichen Kreuzen:
4 Kreuze


Kommentare zum Cover:

Der Junge, welcher hier mit dem Zeigefinger ein scheinbar magisches Phänomen auslöst, passt natürlich bestens zu der Handlung des Romans. Das Cover ist so zwar nicht großartig reißerisch, aber manchmal reicht halt die Schlichtheit...


Coverbewertung:
3 Kreuze