Jaqueline Berger Nr. 8: Ghouls!
Jaqueline Berger Nr. 8: Ghouls!


„Quod me nutrit – me destruit?“ Linda starrte auf das Tattoo, welches meinen Oberarm zierte, und schüttelte dabei leicht den Kopf. Offenbar konnte sie mit dem Spruch nichts anfangen. „Was mich nährt, zerstört mich.“ „Ich weiß“, erwiderte sie knapp. „Die Worte zu lesen fällt mir nicht schwer. Nur ihren Sinn zu erfassen. Was soll das?“ Während ich den Pulli wieder nach unten zog, suchte ich in Gedanken nach einer guten Antwort. Gab es die? Eine gute Antwort? Nachdem mich Diana-Marie dazu gedrängt hatte, mir eine Tätowierung machen zu lassen („Ich finde das sexy, weißt du – also komm …“), war es dieser Spruch gewesen, der mir spontan eingefallen war. Was mich nährt, zerstört mich. Schon früher war es ein Satz gewesen, der mich angesprochen hatte. Während des Studiums, als wir uns gegenseitig mit solchen Zitaten bombardiert hatten. „Nun ja, weißt du“, setzte ich an und war mir am Ende doch nicht sicher, den Satz in dieser Form zu Ende bringen zu wollen. Andererseits gab es keine bessere Methode, mit meiner Kollegin darüber zu sprechen. „Die Dinge haben sich geändert. Für mich vor allem. Da ist etwas … in mir … das mich schützt und gleichzeitig zu Dingen verleitet, die ich nicht tun will.“ Linda lehnte sich zurück und schloss kurz die Augen. Auch wenn sie seit ein paar Tagen aus dem Hospital draußen war, ging es ihr noch immer nicht sonderlich gut. Die körperlichen Wunden waren verheilt, die seelischen Wunden jedoch noch immer blutend und schmerzend. Sie litt unter dem, was geschehen war. Unter ihrer Hilflosigkeit, als sie dem Tuatha gegenüber gestanden hatte, und auch darunter, was mit ihrem Körper geschehen war. Dieser eine Kampf, dieser eine Schwertstreich hatte ihr die Chance genommen, jemals eigene Kinder zu haben. Für eine Frau wie Linda ein Drama, denn sie hatte gewiss entsprechende Pläne gehabt. Gemeinsam mit Patrick, der mich nun aus Leibeskräften hasste. Immerhin befand sich Linda in psychologischer Behandlung, erhielt zweimal die Woche Besuch von einem Fachmann, der ihr über all das hinweghelfen sollte. Ein Polizeipsychologe, der exakt für solche Fälle geschult war. Auch „normale“ Beamte wurden im Dienst verwundet oder getötet – da bildeten wir keine große Ausnahme. Ob es nun ein Drogendealer war, der mit einer Uzi schoss, oder ein Tuatha mit einem Schwert – die körperlichen Schäden waren vergleichbar. Eine Tatsache, die ich Patrick ständig klar zu machen versuchte. Als er Linda kennen gelernt hatte, war sie bereits Polizistin gewesen. Was hatte er erwartet? Dass sie niemals in gefährliche Situationen kommen würde? Illusorisch. „Diana-Marie hat die Dinge nicht gerade vereinfacht. Oder?“ „Nein“, gab ich zu. „Ganz im Gegenteil. Alles ist nun so viel komplizierter als früher. Das, was mit mir und in mir geschieht ebenso wie meine Sehnsucht nach ihr. Es ist mehr als ein Vermissen. Es ist ein Sehnen, wie ich es nie gekannt habe. Selbst als ich damals heftig in Hans-Martin verliebt war, mich nach ihm verzehrte und seinen Namen x-fach in mein Tagebuch geschrieben habe, war es nicht derart intensiv gewesen. Verstehst du das?“ Ihr Blick ruhte auf mir, während sie einen Schmerz in ihrem Unterleib zu unterdrücken schien. „Nicht wirklich. Vielleicht, weil es nicht vergleichbar ist mit dem, was zwischen Menschen abläuft. Gewiss – ich liebe Patrick und vermisse ihn, wenn er auf Geschäftsreise ist. Aber als Sehnen würde ich es nicht bezeichnen.“ „Gut. Also kann ich sagen, dass es diese Magie ist, welche zwischen ihr und mir herrscht, verstärkt durch ihren Keim in mir, der ohnehin für die konfusesten Dinge sorgt. Das beruhigt mich.“ Es beruhigte mich wirklich, denn es zeigte mir, dass ich eben nicht einfach in das Verliebt-Sein-Teenager-Alter zurückgefallen war. Ganz im Gegenteil. Das zwischen der Blutsaugerin und mir war anders, war Vampir-Magie und damit jenseits dessen, was man landläufig von Liebe und all dem verstand. Hätte ich mir all diese Fragen auch gestellt, wenn Diana-Marie ein Mann gewesen wäre?


Rezension von Benfi:


Kurzbeschreibung:
Es fängt so harmlos an: während eines Vortrages in einer Schule bekommt Jaqueline mit, wie eine Schülerin auf der Toilette den Hintern verätzt bekommt. Kurz darauf wird ein Bordell von einer Horde Ghouls angegriffen. Ghoulalarm in Frankfurt! Die Bundesermittlerin kann das Schlimmste in dem Vergnügungsviertel verhindern, doch solange sie nicht weiß, wo die dämonischen Leichenfresser herkommen, kann es in Frankfurt immer wieder zu solchen Attacken kommen. Da ihre Kollegin Linda Zimmermann noch nichtrichtig auf dem Damm ist, wählt JB den Szenemenschen und Möchtegern Hip-Hopper Samuel Easy Ryder als Kollegen aus, der in dem Stundenhotel einen guten Eindruck im Kampf gegen einen Ghoul hinterließ. Bei der Kontrolle eines alten Friedhofs stoßen die beiden dann tatsächlich auf einen Tunnel, der allerdings in den Vorhof der Hölle führt, in dem JB und Linda schon einmal waren (siehe JB 001). Aber nur dort kann weiteres Hervordringen der Ghouls gestoppt werden.


Meinung:
Ghouls! darauf habe ich mich doch sofort gefreut, als ich den Titel dieses achten JB-Romans sah. Schon seit dem guten alten Mr. Grimes aus der JOHN SINCLAIR Serie lese ich immer wieder gerne von diesen Wesen, obwohl der Spielraum mit diesen doch ziemlich beschränkt ist. Das ist in diesem gut geschriebenen und mit einer einfachen Handlung versehenen Gruselroman auch so. Allerdings hat der Autor eine tolle Erklärung für die Herkunft der Ghouls zumindest in seinem JB-Universum aufs Papier gebracht und mit der Figur des Easy eine weitere hochinteressante und alltagskomische Type aufgetischt, die sehr gut verdeutlichen, wie sich Gunter Arentzen einen modernen, an Figuren realistischen und dazu verkaufstischfähigen Gruselroman vorstellt. Nicht schlecht, oder?


Besonderheiten:
Erscheinungsdatum: Februar 2005
- erster Auftritt von Praktikant Samuel 'Easy' Ryder
- Akasha, die Kriegerin erklärt ihre jetzige Funktion als Gegenpol zum Bösen im Vorhof der Hölle
- Linda Zimmermann trennt sich von ihrem Freund Patrick


3 von 5 möglichen Kreuzen:
3 Kreuze


Kommentare zum Cover:

Dieses nebulöse, schwammige Etwas in Rot und gräulich weiß, dazu diese angedeutete Fratze mit den kohleschwarzen Augen; das passt irgendwie schon zu dem Begriff Ghouls und gefällt mir, obwohl recht einfach gehalten.


Coverbewertung:
3 Kreuze