Jaqueline Berger - Pfad des Blutes Zyklus Nr. 2: Burg der Ausgestoßenen
Jaqueline Berger - Pfad des Blutes Zyklus Nr.02: Burg der Ausgestoßenen


Budapest - 20.01.2004 / 17:25 Uhr
Hatte ich sie abgehängt? War es mir gelungen, sie in London zurückzulassen, um ohne weitere Zwischenfälle nach Rumänen zu gelangen? Ich wusste es nicht. Vielleicht saßen sie mir im Genick, vielleicht auch nicht. Seit Tagen hielt ich mich bedeckt. Noch in der britischen Hauptstadt hatte ich mich mit Bargeld eingedeckt. Euro, aber auch ungarische und rumänische Landeswährung, Forint und Lei. Es war sicherlich nicht klug, eine Papierspur hinter sich herzuziehen. Die Blutsauger des Dunklen Ordens verfügten sicherlich über die Möglichkeit, Kreditkartendaten auszuspähen. Mein Blick fiel auf die große Uhr. Etwas mehr als eine halbe Stunde, ehe mein Zug in Richtung Bukarest abfahren würde. Der große Westbahnhof der Stadt, auch Nyugati pályaudvar genannt, war ein Dreh- und Angelpunkt, wenn es um Zugfahrten in alle Herren Länder ging. Er lag, wie auch sein Bruder - der Ostbahnhof - auf der Pester Seite. Um mich herum herrschte hektische Betriebsamkeit. Menschen eilten zu den verschiedenen Bahnsteigen. Verkäufer hinter kleinen Ständen boten ihre Ware feil. Was die Leute sagten, verstand ich nicht. Die meisten Händler sprachen allerdings auch Englisch. Zumindest antworteten sie in dieser Sprache, wenn man sie nach dem Inhalt ihrer Gebäckstücke, Getränke oder nach ausländischer Presse fragte. Oft war es Radebrechen. Aber zumindest funktionierte eine rudimentäre Verständigung. Auf meiner Nase thronte die Datenbrille. Nicht nur, weil sie meine Augen verdeckte und somit als Tarnung diente. Über die eingebauten Kopfhörer konnte ich auch mit meinem X-8B Musik hören. Ich hatte das Gerät gerade noch rechtzeitig erhalten, ehe ich London verließ. Unsicherheit hielt mich umfangen. In meiner schlichten Reisetasche steckte ebenso einfache, unauffällige Kleidung von der Stange. Einzig zwei Anzüge mit dem Logo der Bayrons waren im eigentlichen Sinne wertvoll. Aber diese wollte ich erst anlegen, wenn Bukarest hinter mir lag und ich mich dem eigentlichen Ziel meiner Reise näherte. Ein Ziel, welches noch verdammt weit weg schien. Die Flughäfen, da war ich mir sicher, wurden überwacht. Gut, das traf wohl auch auf Bahnhöfe zu. Aber hier gab es zumindest keine Passagierlisten. War der Zug also besser? Ich wusste es nicht. Langwieriger bestimmt. Da ich die Fahrkarten aber stets bar bezahlt und nie zusammenhängend erworben hatte, fühlte ich mich einigermaßen sicher. Vor allem, da ich in Wien erst im letzten Moment einen Zug verlassen und in einen anderen, gerade abfahrenden hineingesprungen war. Ob all das etwas nützte, vermochte ich dennoch nicht zu sagen. Sie wussten, wohin ich wollte. Das war ihr großes Glück.


eBook von G. Arentzen, erschienen im Juli 2006, Titelbild: Meike Förster