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"Friedhöfe sind auch nicht mehr das, was sie einmal wa ren", brummte
der große, hagere Mann, als er seinen Merce des 500 geparkt hatte,
die Sonnenbrille ab nahm und ausstieg. Bei Dunkelheit war die dunkle Sonnen
brille, die der Mann in seinem Mantel ver staute, doch ein eher
ungewöhnliches Accessoire. Ein letzter Blick auf die Uhr zeigte: Noch
knapp zwanzig Minuten bis zu der Stunde, die die Men schen Geisterstunde
nannten. In der Tat war es eine machtvolle Stunde, die Stunde der Toten.
Der volle Mond zau berte Lichtreflexe auf den schwarzen Lack des Spitzenmodels
der Stuttgarter Autoschmiede. Der Hagere holte eine kleine Umhängetasche
aus dem Kofferraum und verschloss das Fahrzeug per Funkbefehl. Die aufleuchtenden
Blinker warfen ihr gelbes Licht auf das Gesicht der Gestalt. Die Haut wirkte
in diesem Licht beinahe unnatürlich bleich, fast schon durchscheinend.
Die Augen lagen tief in den Höhlen und wirkten wie schwarz glänzende
Kohlen. Das strähnige graue Haar fiel auf die Schultern des Mannes.
Das Lächeln offenbarte eine Reihe gelber Zähne. Er sah im für
ihn taghellen Mondlicht zu einem dieser neuen Friedhöfe hinüber,
die mehr Ähnlichkeit mit einem Supermarktparkplatz denn mit einem Totenacker
hatten. Fast erwartete der Hagere auf Plakate zu stoßen, die auf eine
besonders günstige Grabstelle hin wiesen. Seine Mundwinkel hoben sich
zu einem verächtlichen Schmunzeln, als er an Gießkannen vorbei
kam, die man für eine Pfandmünze von einer Kette lösen
konnte.