John Sinclair Nr. 506: Das unheimliche Grab
Diese Nacht war einfach anders! Es lag etwas in der Luft, das spürte
auch Tommy Cramer. Er war kein Angsthase, das wußte jeder im Ort. In
zahlreichen Disco-Prügeleien hatte er bewiesen, was in seinen Fäusten
steckte, aber die Nacht heute gefiel dem Siebzehnjährigen überhaupt
nicht. Am liebsten hätte er in seinem Bett gelegen, obwohl er das
Nachhausegehen immer so lange wie möglich hinausschob. Er wußte
auch jetzt nicht zu sagen, wieso er sich so tief im Innern fürchtete.
Der schmale Weg kam ihm vor wie eine Straße ins Jenseits. Grau wie
der Asphalt wirkten auch die Waldränder, denn vor ihnen hingen dünne
Tücher aus Nebel. Der Mond zeigte eine ungewöhnliche Blässe,
als wollte er bewußt nicht mehr stark leuchten.
von Jason Dark, erschienen am 14.03.1988, Titelbild: Vicente Ballestar
Rezension
von Sir
Screamalot:
Kurzbeschreibung:
Diesmal führt es John Sinclair nach Deutschland, weil ihn sein Freund
und Kollege Will Mallmann um Hilfe gebeten hat. Innerhalb kürzester
Zeit hatten sich nämlich auf einem gewissen Abschnitt der Autobahnstrecke
München-Salzburg höchst seltsame Dinge ereignet: drei rumänische
Fernfahrer waren in kurzer Folge verunglückt. Zwei der Lastwagenfahrer
verbrannten, der dritte konnte jedoch eine Aussage machen, die vollkommen
verrückt klang - und deshalb nach dem Geisterjäger verlangte. Der
LKW-Fahrer gab nämlich an, ein Skelett mit einer Sense sei auf der Fahrbahn
erschienen und hätte den Unfall verursacht. John und Will begeben sich
nun mit einem anderen rumänischen Fernfahrer namens Dimitrou als Lockvogel
auf Achse, wobei John in der Fahrerkabine sitzt und Will ihnen in seinem
Auto hinterherfährt. Das Skelett taucht auf, Dimitrou reagiert falsch,
und sie rasen wie verrückt auf einen Rastplatz - während das Skelett
wieder verschwindet. Daraufhin beschließen sie, in einer Pension in
der Nähe einzukehren. Dort angelangt, begibt sich Dimitrou relativ bald
auf sein Zimmer, trinkt sich leicht einen an - und geht dann mit einer alten
Vettel aus dem Nachbardorf, die eine Leiter an seinen Zimmerbalkon gelehnt
hat, mit in den nächtlichen Wald. (Zuvor in dieser Nacht hat genau dieselbe
Alte schon einen jungen Burschen namens Tommy Cramer gewarnt - und ihn dann
auch vor dem Skelett mit der Sense gerettet.) Galinka - so heißt die
Alte - führt Dimitrou zu einem Grab mitten im Wald, dessen Grabplatte
sich per Hebel automatisch öffnen läßt. Das Skelett mit der
Sense (mit dem Galinka unter einer Decke steckt) erscheint, und es gelingt
ihr, Dimitrou ins Grab zu werfen und den Deckel über ihm zu schließen.
Am nächsten Tag finden John und Will heraus, dass ihr Lockvogel verschwunden
ist und gehen zum Dorfpolizisten, um ihn bei der Suche nach dem Verschwundenen
um Hilfe zu bitten, da er die Gegend besser kennt. In diesem Moment taucht
auch Tommy Cramer wieder auf, um zur Anzeige zu bringen, dass in der letzten
Nacht sein Fahrrad zerstört worden sei: und zwar von einem Skelett mit
einer Sense! Währenddessen öffnet Galinka das Grab wieder und
erzählt dem überhaupt nicht an Flucht zu denken scheinenden Dimitrou,
was es mit diesem Skelett auf sich hat, und daß es sich dabei um Rusko,
den Mörder-Mönch aus Rumänien handelt (bzw. dessen Skelett).
Auf der Polizeistube erzählt Tommy unseren Freunden auch von der alten
Galinka, die ihn in der vorigen Nacht vor dem Skelett gewarnt habe - und
führt die beiden dann auch zu ihrem Haus, wo sie beim Durchsuchen desselben
von der Alten überrascht werden, die allerdings nur kurz einen kleinen
Aufstand macht, dann für einen kleinen Moment in einem der Zimmer
verschwindet, um etwas zu holen und dann einfach wieder geht. John findet
dann auch ein Buch auf Rumänisch in ihrem Schlafzimmer, dessen Abbildungen
die Geschichte des Mörder-Mönches Rusko erzählen (den
rumänischen Text versteht natürlich keiner der drei). Anstatt der
Alten zu folgen, gehen die drei dann aber erstmal zu Tommy's Mutter, die
vielleicht wissen könnte, warum es dieses Grab mitten im Wald gibt,
von dem Tommy unseren Freunden erzählt hat, und das wahrscheinlich -
wie John vermutet - auch mit Galinka und dem Skelett zu tun hat. Die Mutter
erzählt den beiden dann, dass Rusko im vorigen Jahrhundert mit einer
Pilgergruppe aus Rumänien gekommen sei und die Aufgabe des soeben
gestorbenen Dorfpfarrers übernommen habe; allerdings wisse sie auch
nicht, warum man ihn nach seinem Ableben mitten im Wald und nicht auf dem
Friedhof begraben habe. Das erfahren wir dann aber gleich, da es John und
Will plötzlich sehr eilig haben, sich von Tommy den Weg zum Grab zeigen
zu lassen, wo Galinka gerade dabei ist, den armen Dimitrou mit einer teuflischen
Salbe (entwickelt von Rusko) einzuschmieren. John kann sie davor
zurückhalten und erfährt von ihr dann auch die ganze Geschichte:
Rusko sei ein Mönch in Rumänien gewesen, der aber heimliche Studien
der Schwarzen Magie betrieben habe; als man in seinem Kloster dahintergekommen
sei, steckten die anderen Mönche das Kloster (und auch sich selbst,
da sie sich schuldig fühlten, dieses Monster in ihrer Mitte gehabt zu
haben) in Brand; Rusko sei entkommen und habe sich einer Pilgergruppe
angeschlossen, mit der er nach Bayern gekommen sei - wo er dann in diesem
Dorf hier die Stelle des Pfarrers angenommen habe; allerdings habe er hier
auch Leute getötet, und zwar mit einer von ihm entwickelten Salbe, die
dafür sorgt, dass den damit Eingeriebenen Haut und Fleisch von den Knochen
fallen; als die Leute im Dorf dahintergekommen seien, hätten sie ihn
mit seiner eigenen Salbe eingerieben und ihn dann mitten im Wald begraben.
Sie, Galenka, habe das alles in einem Buch gelesen bzw. selbst nachgeforscht,
und es sei ihr sogar gelungen, diese Salbe wiederherzustellen - und nun
würde sie sich zusammen mit dem Skelett-Mönch an den Rumänen,
die Rusko hasse, rächen. (Deshalb hatte es bis dato auch nur
rumänische Trucker erwischt.) Nach dieser Erklärung hält Dimitrou
die Alte fest, während John und Will dem Skelett in den Ort folgen,
wo dieses sich doch noch den jugendlichen Tommy holen will. Dies kann John
aber im letzten Augenblick noch mithilfe seines Kreuzes verhindern. Galinka
begeht Selbstmord, noch bevor sie in die Psychiatrie eingewiesen werden kann.
Meinung:
Eigentlich ein ganz netter und flott inszenierter Roman, der aber wie immer
seine logischen Schwächen hat. Wieso hat Rusko diese Salbe entwickelt?
Gibt es nicht einfachere und vor allem schnellere Wege, jemanden umzubringen,
als diese Person EINZUCREMEN? Und warum zünden seine Mitmönche,
nachdem sie von seinen teuflischen Experimenten erfahren, das Kloster an
und verbrennen freiwillig darin? Und wieso holt Galinka Rusko wieder zurück
ins Leben? Und warum will sie ihm dabei behilflich sein, Rumänen zu
töten? Und wenn ihr das schon Freude bereitet: warum tötet sie
den armen Dimitrou dann nicht gleich, sondern bietet ihm quasi x-Gelegenheiten,
zu fliehen (die dieser Depp aber nicht nutzt)? Und warum gehen John und Mallman
nach der Hausdurchsuchung nicht GLEICH zum Grab, sondern vertrödeln
vorher noch ein bisschen Zeit mit Tommy's Mutter? Immerhin wissen die beiden
zu diesem Zeitpunkt ja schon, dass ein Zusammenhang zwischen Galinka, dem
Skelett, dem Verschwinden Dimitrous und dem Grab im Wald besteht?
Positiv zu erwähnen ist die Szene, in der Dimitrou lebendig begraben
in der Erde liegt und die Grabwände scheinbar immer enger werden.
Klaustrophobie pur! Und Edgar Allen Poe läßt auch schön
grüßen! Sehr gut (obwohl sehr scherenschnittartig) ist die
Charakterisierung des unkooperativen Dorfpolizisten - da wird kein Bayernklischee
ausgelassen. Und der wohl genialste Satz, der jemals in einem JS-Heft abgedruckt
wurde, kommt in diesem Zusammenhang auch noch vor: "In Bayern ist Bier ja
kein Alkohol." Allein dafür hat sich der Roman schon drei Kreuze verdient,
hehe.
Besonderheiten:
Ein Skelett in Umhang und mit Sense taucht auf einer deutschen Autobahn auf
- und trotzdem denkt keiner der Protagonisten an den Schwarzen Tod?
Mirakulös.
3 von 5 möglichen Kreuzen:

Kommentare zum Cover:
Ein ganz okayes Bild von Ballestar. Die Szene kommt so ähnlich auch
im Roman vor - allerdings nur mit der weinenden, auf dem Grab sitzenden
Galinka.
Coverbewertung: